Besondere Dokumentarfilme mit Gästen #9 Wer ist Oda Jaune

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„Wer ist Oda Jaune?“ von Kamilla Pfeffer ist der nächste Film in unserer Reihe besondere Dokumentarfilme mit Gästen am Di. 21. November um 19 Uhr im Kamera Filmkunsttheater.

Die Regisseurin Kamilla Pfeffer ist am Abend zu Gast im Saal 1 der Kamera und stellt sich den Fragen des Publikums. Moderation: Beate Middeke

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Trailer „Wer ist Oda Jaune?“

Wer ist Oda Jaune - Plakat

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Sie malt verwachsene, verstümmelte Menschen, sie malt Nackte ohne Geschlecht, Köpfe ohne Gesicht. Verstörende Bilder, die wehtun. Und sie malt Menschen im Glück, Menschen im Paradies, Menschen, die fliegen können. Zarte Bilder, die anrühren. Sie heißt Oda Jaune, stammt aus Bul-garien (*1979), hat an der Kunstakademie Düsseldorf studiert, wurde Meisterschülerin bei Jörg Immendorff. Und seine Frau.
Nach Immendorffs Tod 2007 wollte sie weg aus Deutschland, anderswo von vorn anfangen. Sie ging nach Paris, fand ein Atelier inmitten der Stadt. Und einen Galeristen: Daniel Templon. Der hat schon Andy Warhol und Roy Lichtenstein ausgestellt. Jetzt also auch Oda Jaune.

Die Filmemacherin Kamilla Pfeffer – fasziniert von ihren Bildern – will die Künstlerin unbedingt kennenlernen, über sie ihren ersten langen Film wagen.

Die Kontaktaufnahme dauert, erst nach zwei Jahren und einigen Begegnungen ist Oda Jaune bereit. Schließlich die Verabredung: mehrere Wochen dürfen Filmemacherin und Kamerafrau im Atelier dabei sein, wenn neue großformatige Bilder für die nächste Ausstellung entstehen. Ein Vorhaben, das sich schon bald als mittelschweres Problem erweist…
Es gilt Umwege und Auswege zu finden, um die filmische Annäherung an die Malerin zu ermögli-chen. Ein ungewöhnliches Frage-Antwort-Spiel – angelehnt an den berühmten Marcel Proust-Fra-gebogen – gehört ebenso dazu, wie Besuche bei Menschen, die sich mit Oda Jaunes Bildern aus-einandersetzen. Darunter: Schauspieler Lars Eidinger, Regisseur Thomas Ostermeier und Maler-Kollege Jonathan Meese.
„Wer ist Oda Jaune?“ – ein Film über eine Malerin und ihre Bilder. Ein nahes, zunehmend intimes Portrait einer jungen Frau, die ihre Vergangenheit hinter sich lassen musste, um ihre Zukunft zu finden.

Regie: Kamilla Pfeffer, D 2016, Länge: 75min.

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DIRECTOR’S NOTE
ANNÄHERUNG
Lange hat sie gedauert, meine Annäherung an Oda Jaune. Im Herbst 2011 war mir in einer Kölner Kunstbuchhandlung ein Bildband mit ihren Aquarellen aufgefallen. Motive in Pastellfarben, wun-derschön, zart – jedenfalls auf den ersten Blick. Beim näheren Betrachten dann inmitten scheinba-rer Harmonie und Idylle verletzte Haut, offene Herzen, weinende, verstümmelte, sterbende Wesen. Seltsam ästhetisch. Irritierend berührende Bilder, erst auf den zweiten Blick „entschlüsselbar“. Bil-der, die mich faszinieren, bewegen, beschäftigen, tagelang. Wer ist die Künstlerin, die solche Sze-nen malt? Ich will ihr begegnen, vielleicht einen Film machen…

Ein paar Tage später maile ich ihrer Agentin. Die prompte Antwort: „Oda Jaune steht zur Zeit für ein filmisches Projekt nicht zur Verfügung.“ Ich schicke Briefe an ihre Galerie in Paris – keine Ant-wort. Dann, Monate später, lese ich von einer Ausstellung im belgischen Namur. Und fahre hin. Dort sehe ich sie – ziemlich verloren zwischen all den Menschen, die ihretwegen gekommen sind. Eine Person von zarter Statur, dunkles Haar, heller Teint, ungeschminkt. Sie hält sich am Sektglas fest, mit beiden Händen. Und scheint erleichtert, als ich sie anspreche. Das übliche Vernissage-Geplauder, sagt sie, sei nicht ihre Stärke. Dass ich ihretwegen den langen Weg auf mich genom-men habe, beeindruckt sie. Auf meine Filmidee aber reagiert sie verhalten: „Für sowas bin ich doch noch zu jung“. Ihre E-Mail-Adresse gibt sie mir trotzdem. Ich schreibe ihr. Mehrfach. Und warte.

Es dauert noch einmal fünf Monate, bis wir im September 2012 in einem Pariser Café zum ersten Mal ausführlich miteinander sprechen.

Sie mag, dass wir fast gleich alt sind, ich dreißig, sie knapp drei Jahre älter. Sie fragt ob ich Balzacs Roman „Die Frau von dreißig Jahren“ kenne. Die Ge-schichte spiele in Paris und handle von der Forderung einer jungen Frau nach ihrem Recht auf Glück und Liebe. Was ist Glück für sie? „Wenn ich mit meiner Malerei aus etwas scheinbar Häss-lichem etwas Schönes machen kann, wenn es mir gelingt, den ablehnenden Blick der Menschen in etwas Liebevolles zu verwandeln“. Ob ich verheiratet sei, will sie von mir wissen. Ja, sage ich. Was mein Mann denn mache? – Er ist Filmemacher. – Älter? – Ja. – Viel älter? – 38 Jahre, sage ich. Da muss sie lachen.
Tags drauf lädt sie mich ein, in ihr Atelier. Es liegt in einem Hinterhof. Die Tür öffnet sie in ihrer Malerkluft: schwarze Hose, farbverschmiert, T-Shirt, Turnschuhe. Ein heller Raum. Rechts neben dem Eingang – eine schmale Holztreppe, oben eine kleine Galerie. Unten, an den weißen Wänden, große Bilder, noch unvollendet: Ein gallertartiges Feenwesen, ein schwangerer Mann…
„Meine Figuren entstehen beim Machen, verändern sich ständig“, sagt Oda, „ich weiß nicht, was es zum Schluss sein wird.“ Denn ob mit Öl auf Leinwand oder mit Wasserfarbe auf Papier, sie arbeite stets ohne Modelle oder Skizzen, nur ihrer Stimmung und einer groben Idee folgend. Wich-tig sei „sich nicht von der Realität einfangen zu lassen, sie bloß zu reproduzieren, sondern hinter den Schein der Dinge zu sehen, und sichtbar zu machen, was unter der Oberfläche liegt.“ Einmal begonnen, werde nichts weggeworfen oder beiseite gelegt, kein Blatt. „Jedes Bild ist ein Kampf, ein Entstehungsprozess, der nicht vorhersehbar ist…“

Als ich auf meine Filmidee zu sprechen komme, erzählt sie, dass sie gerade erst die Anfrage eines Fernsehmagazins abgelehnt habe. Warum? „Weil ich mal wieder als die Witwe gezeigt werden sollte“. Ob das Thema Immendorff denn prinzipiell tabu sei, will ich wissen. „Nein, ist ja ein wichtiger Teil von mir“, aber darauf reduziert werden wolle sie nicht.
Im März 2013 dann, fast siebzehn Monate nach meinem ersten Kontaktversuch, ist sie schließlich bereit, sich von mir mit der Kamera begleiten zu lassen, mich mitzunehmen in ihre Bilderwelt, und mich dabei auch ein nahes Bild ihrer Person zeichnen zu lassen. Nach einem langen Telefonat schreibt sie spät abends per SMS: „Ich freue mich, dass wir einen Film zusammen machen:) gute nacht, oda“.

Die nächste Veranstaltung in unserer Dokumentarfilmreihe ist

„kosmische Brocken, Zappa und die Deutschen“ von Jörg Wulf,
am Di. 19.12.23, um 19Uhr wieder in der Kamera.

Wir freuen uns auf Euch!