„Ich habe mich verfehlt“ soll Vincent van Gogh nach seiner tödlichen Schussverletzung gesagt haben. Unter diesem zweideutigen Motto rief das Filmhaus befreundete Künstlerinnen dazu auf, Kunstkommentare zum Werk oder Leben des Malers zu gestalten.

Passend zur Ausstellung zum 100. Todestag van Goghs zeigte das Lichtwerk eine Reihe von Filmen über van Gogh und lud den Filmemacher Christoph Hübner mit seinem Dokumentarfilm „Der Weg nach Courrières“ ein. Im „Lichtwerk“-Foyer waren Arbeiten von Matthias Arndt, Jan Borgstede, Pedda Borowski, Jan Kreft, Kerstin Richter, Hartwig Schwarz uznd Tania Smolka zu sehen.

Paul Gaugin fait visite à Vincent van Gogh

Paul Gaugin fait visite à Vincent van Gogh. Schnitzerei von Tania Smolka und Jan Borgstede

 

Im Jahr 1990 übernimmt Gisela Heise das Finanzwesen des Vereins Filmhaus Bielefeld.

Damit kehren endlich professionelle Verhältnisse auch in diesem Bereich der Filmkultur ein. Die Arbeit von Gisela Heise macht die Unwuchten, Wünsche und Ziele in der Haushaltsplanung des Vereins sichtbar und ermöglicht eine größere Planungssicherheit. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und damit ist auch das Personal im Kino „Lichtwerk“ gemeint, atmen auf, denn nun werden Löhne und Honorare recht zeitnah angewiesen. Die differenzierte Kontenführung ermöglicht Analysen und rechtzeitiges Eingreifen.

Gisela Heise mit Filmhauscrew

Gisela Heise mit Matthias Goßmann, Helmut Lemke, Jörg Erber (2000)

Mit Gisela Heises Kompetenz wird der wichtige Bereich Filmabspiel auch finanziell klar gegliedert und beherrschbar. Mit dem Finanzamt wird das kompliziert-divergente Betätigungsfeld der Filmkultur verhandelt und strukturiert, so dass die verschiedenen Geschäftsbereiche deutlich abgrenzbar und entsprechend steuerbar werden. Gerade in Bezug auf das Lichtwerk ermöglicht die klare Kontierung Anträge bei Filmfördereinrichtungen und die verlässliche Rückzahlung von Krediten für die Ausstattung des „Lichtwerks“. Unter der Ägide von Gisela Heise mausert sich das „Lichtwerk“ von der Studenteninitiative zu einem ernst zu nehmenden gewerblichen Kino, das für sein Jahresfilmprogramm bei Bund und Land Anträge zur Prämierung stellt.

„Schmelzdahin“ waren bei den „Ersten Avantgarde Filmtagen“ (Januar 1989) und beim „Spezialfilm-Festival“ (Dezember 1989) zu Gast im Lichtwerk. Die Bonner Super-8-Experimentalfilmer (1975-1989) wurden den Lichtwerker von der Gruppe „Alte Kinder“ ans Herz gelegt und wiederholt promoted.

Jochen Lempert, Jochen Müller, Jürgen Reble arbeiten mit Found Footage, mit fremdem Filmmaterial, dass sie mitunter neu montieren und (bio-)chemischen Prozessen aussetzen, z.B. bei „Aus den Algen“. Getreu der chemischen Wahrheit, dass der Entwicklungsprozess nie wirklich endet, experimentieren die Filmer auf unterschiedlichste Weise mit dem belichteten Material. Im Gästebuch des Filmhauses hinterließen sie filmische Bruchstücke und ihre Schutzhandschuhe und ruinierten das Buch, denn auch hier setzte sich der Zersetzungsprozess fort. Im Jahr 1988 waren sie mit ihrem Programm „Ein harter Falter“ zu Gast in Bielefeld. Bei diesem Auftritt im Lichtwerk bauten „Schmelzdahin“ eine Projektion quer durch das Kinofoyer und ließen das Material über verwirrend viele von der Decke hängende Spulen laufen. Ein Bild aus „Stadt in Flammen“ ist [hier…] zu sehen. Bei der Performance im Lichtwerk war u.a. bearbeitetes Material aus „Tarantula“ zu sehen.

 

Zweites Kinderfilmfest im Lichtwerk: Nach der Premiere erfolgt Ende August die Neuauflage des Kinderfilmfests mit vielen neuen Filmen für Kinder und medienpädagogischen Aktionen.

Im Vorfeld gab es einen Malwettbewerb für Kinder mit dem Thema „Lieblingsfilm“. Auch einen Preisträger wird es geben, denn eine Kinderjury ermittelt den besten Film im Festprogramm. Organisiert wird das Fest von Petra Wonsowitz, Martina Morre und Christiane Wollin.

 

Unter dem Motto „Ich schau Dir in die Ohren, Kleines!“ lädt das Filmhaus am 19. August 1989 zur Benefiz-Party ein. Gefeiert wird auf dem Hofgelände am Kino „Lichtwerk“ und im Filmhaus.

Geboten wird Open Air Kino auf der riesigen Hauswand (Buster Keatons „Der General“), Disco mit Videoeffekten (DJ Ernie/Forum) und das schwierige Filmquiz. Dazu gibt es kühle Getränke und gute Gespräche bis in den frühen Morgen. Der Erlös kommt der Vereinskasse zugute. Mehr zur Filmhaus-Party [hier…]

Plakatwand zur Filmhausparty 1989

„35mm Moskau“ war der Titel einer Veranstaltungsreihe mit Studierenden und Lehrenden der Moskauer Filmhochschule 1989.

In diesem heissen Sommer gastierten, organisiert von der HdK Kassel, die russischen Filmer mit ihren Filmen im Filmhaus-Kino „Lichtwerk“ und diskutierten mit dem Publikum. Untergebracht war die Gruppe im Gastatelier der Künstlergruppe „Artists Unlimited“. Zu diesem Anlass gestaltete das Filmhaus die Plakatwand des Hauses aufwändig, hängte rote Fahnen an die Fassade und erstellte ein eigenes Plakat, gestaltet von Matthias Arndt.

Die Achternbusch-Retrospektive 1989 im Filmhaus-Kino Lichtwerk umfasste viele Filme Herbert Achternbuschs, ein Theaterstück und fast auch einen Besuch des Malers, Schriftstellers und Filmregisseurs.

Als Theaterstück wurde „Ella“ im Lichtwerk aufgeführt, ein Stück für zwei Personen mit Barbara Kemmler und Pitt Hartmann aus der Theaterszene im „Pumpenhaus“. Einen Besuch zur Retrospektive sagte der unberechenbare Kandidat auf witzige und charmante Art mittels einer Postkarte dem Kurator der Filmreihe, Georg Detlinger, ab.

Achternbusch Retrospektivenbesuch 1989

Absage von Achternbusch für einen Retrospektivenbesuch 1989

Das letzte Loch

Szenenfoto aus „Das letzte Loch“

Die „Avantgarde Filmtage“ im Lichtwerk wurden von der Gruppe „Alte Kinder“ um Christiane Heuwinkel, Matthias Müller, Maija-Lene Rettig und Thomas Lauks veranstaltet.

In Ergänzung zu den Filmprogrammen im Januar 1989 gab es eine Podiumsdiskussion mit Karola Gramann, Alf Bold, Wilhelm und Birgit Hein rund um das Thema „Avantgardefilm“. In den Filmprogrammen waren u.a. vertreten Uli Versum, Claus Blume, Ulrike Zimmermann, Bruce Conner, Zoltan Spirandelli, Joseph Cornell, Mara Matuschka und natürlich die „Alten Kinder“ selbst.

Avantgardelfilmtage Januar 1989 Programmübersicht

Finnische Filme im Lichtwerk war ein Beispiel für die Spürnase, die die Lichtwerk-Programmgruppe für interessante neue Filme entwickelt hatte. Beim Filmfestival in Selb waren die Kinomacher auf die Filme der Kaurismäki-Brüder aufmerksam geworden und den Plan gefasst, diese noch nicht im deutschen Verleih erhältlichen Filme nach Bielefeld zu holen.

Die Begeisterung für den lakonischen und trockenen Humor der Finnen und die unbekannten und beeindruckenden Schauspieler setzte ungeahnte kreative Kräfte frei, so dass es gelang, finanzielle Mittel für ein Mini-Festival locker zu machen. In Koproduktion mit dem Kommunalkino Bremen, der deutsch-finnischen Gesellschaft und der finnischen Botschaft gelang der Filmtransfer aus dem hohen Norden. Trotz einer Zusage im Januar gelang es letztlich nicht, Aki und Mika Kaurismäki nach Bielefeld zu holen. Vielleicht war dabei Alkohol im Spiel…

Kaurismäki-Einladung 1988

Kaurismäki-Einladung 1988

Das Lichtwerk präsentierte im Oktober 1988 mit „Der Lügner“ und „Schuld und Sühne“ die Frühwerke von Mika und Aki. Dazu „Schatten im Paradies“ mit Kati Outinen und Matti Pellonpäa, „Hamlet macht Geschäfte“, eine Shakespeare-Adaption mit Slapstick-Elementen von Aki Kaurismäki. Zusätzlich gab es eine Produktion der Kaurismäkis-Firma „Villealfa“ von Pauli Pentti zusehen: „Macbeth“ nach Shakespeare.

Finnische Filme Programm 1988

Finnische Filme Programm 1988

Seit dieser Zeit sind die Filme von Aki und Mika Kaurismäki regelmäßiger Bestandteil des Bielefelder Kinoprogramms; besonders hat uns später die Verleihung des Friedrich-Wilhelm Murnau Preises an Aki Kaurismäki gefreut. Zu diesem Anlass war der finnische Regisseur schließlich doch noch einmal im Lichtwerk.

Unter dem Motto „Zeigen Sie Ihr Video!“ startete auf Initiative von Barbara Witych im Jahr 1988 eine Veranstaltungsreihe mit experimentellen und dokumentarischen Videos.

Gezeigt wurden die Videos im Beisein der Künstler im Lichtwerk („ViL – Video im Lichtwerk“). Für die Celluloid-Fans der Lichtwerk-Programmgruppe war dieses Format eine besondere Herausforderung und der Beginn eines erweiterten Programmbegriffs. Der Video-Technik haftete zu dieser Zeit noch der Geruch des Fernsehformats an und eine Aufführung von Videos im Kino stellte etwas Besonderes dar. Das Filmhaus konnte dieses Vorführformat leisten, da es bereits über einen sog. Drei-Röhren-Beam verfügte, der im Kinosaal unter der Decke verschraubt war.